HBOT Neurologisch 2022

Antivirale, immunmodulatorische und neuroprotektive Wirkung von Lithium

Originaltitel: Antiviral, immunomodulatory, and neuroprotective effect of lithium

Autoren

Rybakowski JK

Journal

Journal of Integrative Neuroscience

DOI

10.31083/j.jin2102068

Zusammenfassung

Umfassendes Review zu den pleiotropen Wirkungen von Lithium jenseits der Stimmungsstabilisierung: antivirale Aktivität (besonders gegen Herpesviren, möglicherweise auch Coronaviren), immunmodulatorische Effekte und neuroprotektive Eigenschaften. Liefert die mechanistische Grundlage für den Einsatz bei Long COVID und neurodegenerativen Erkrankungen.


Übersicht

Dieses Review von Prof. Janusz Rybakowski - einem der führenden Lithium-Forscher weltweit - fasst die vielfältigen Wirkungen von Lithium zusammen, die weit über die psychiatrische Anwendung hinausgehen.

Lithium: Mehr als ein Stimmungsstabilisator

Etablierte Anwendung

  • Goldstandard bei bipolarer Störung seit über 70 Jahren
  • Prävention manischer und depressiver Episoden
  • Antisuizidale Wirkung

Neu erkannte Wirkungen

  1. Antiviral
  2. Immunmodulatorisch
  3. Neuroprotektiv

Antivirale Wirkung

Gegen DNA-Viren (gut belegt)

Besonders gegen Herpesviren:

VirusEvidenz
Herpes simplex (HSV-1/2)Klinische Studien positiv
Varicella-ZosterFallberichte
Epstein-Barr (EBV)In-vitro-Daten

Klinische Anwendung:

  • Reduktion labial-herpetischer Rezidive
  • Systemische und topische Anwendung wirksam
  • Erste Berichte aus den 1970er Jahren

Gegen RNA-Viren (experimentell)

Evidenz für Wirkung gegen:

  • Coronaviren (einschließlich SARS-CoV-2)
  • Influenza-Viren
  • Weitere RNA-Viren

Mechanismen:

  • Hemmung viraler Replikation
  • Interferenz mit Viruseintritt
  • Modulation der Wirtszellantwort

Relevanz für COVID-19

  • Ebselen (Lithium-mimetische Substanz) hemmt SARS-CoV-2 Hauptprotease (Mpro)
  • Tiermodelle zeigen mildere Verläufe unter Lithium
  • Klinische Studien zu Long COVID laufen

Immunmodulatorische Wirkung

Effekte auf das Immunsystem

Lithium beeinflusst multiple Immunzelltypen:

LITHIUM

    ├─→ T-Zellen: Modulierte Aktivierung

    ├─→ B-Zellen: Antikörperproduktion beeinflusst

    ├─→ Makrophagen: Zytokinproduktion reguliert

    └─→ NK-Zellen: Aktivität moduliert

Zytokin-Modulation

  • Kann pro-inflammatorische Zytokine reduzieren
  • Beeinflusst IL-1, IL-6, TNF-α
  • Relevant für Zytokin-Sturm bei COVID-19

Autoimmunität

  • Komplexe Effekte auf Autoimmunprozesse
  • Kann sowohl stimulierend als auch dämpfend wirken
  • Individuelle Variabilität beachten

Neuroprotektive Wirkung

Mechanismen

  1. GSK-3β-Hemmung

    • Schlüsselenzym bei Neurodegeneration
    • Reduziert Tau-Phosphorylierung
    • Fördert neuronales Überleben
  2. BDNF-Steigerung

    • Brain-Derived Neurotrophic Factor
    • Fördert Neuroplastizität
    • Unterstützt Neurogenese
  3. Bcl-2-Hochregulation

    • Anti-apoptotisches Protein
    • Schützt vor programmiertem Zelltod
    • Mitochondrienschutz
  4. Autophagie-Förderung

    • Zelluläre “Müllentsorgung”
    • Entfernt toxische Proteinaggregate
    • mTOR-unabhängige Aktivierung

Klinische Evidenz

ErkrankungBefund
AlzheimerVerlangsamter kognitiver Abbau
ParkinsonMöglicherweise protektiv
ALSTiermodelle positiv
SchlaganfallNeuroprotektive Effekte
Traumatisches HirntraumaTiermodelle vielversprechend

Dosisabhängigkeit

Wichtiger Befund:

  • Niedrige Dosen für Neuroprotektion oft ausreichend
  • Unter den psychiatrischen Dosierungen
  • Besseres Sicherheitsprofil

Relevanz für Long COVID

Symptomüberlappung

Long-COVID-Symptome, bei denen Lithium helfen könnte:

SymptomLithium-Mechanismus
Brain FogNeuroprotektion, BDNF↑
FatigueMitochondrienschutz
DepressionStimmungsstabilisierung
Kognitive StörungenGSK-3β-Hemmung
Persistierende VirenAntivirale Wirkung

Multimodale Wirkung

Lithium adressiert mehrere Long-COVID-Pathomechanismen gleichzeitig:

  • Viruspersistenz
  • Neuroinflammation
  • Mitochondriale Dysfunktion
  • Neurodegeneration

Sicherheitsaspekte

Therapeutische Breite

  • Schmaler therapeutischer Bereich bei psychiatrischen Dosen
  • Niedrigdosierte Anwendung deutlich sicherer
  • Regelmäßiges Monitoring erforderlich

Nebenwirkungen (dosisabhängig)

  • Tremor
  • Polyurie/Polydipsie
  • Schilddrüsenfunktionsstörungen
  • Nierenfunktionsbeeinträchtigung (langfristig)

Niedrigdosis-Strategien

Bei neuroprotektiver/antiviraler Anwendung:

  • Deutlich geringere Dosen möglich
  • Weniger Nebenwirkungen
  • Bessere Langzeit-Verträglichkeit

Verbindung zu HBOT

Synergistisches Potenzial:

HBOTLithium
Oxygenierung↑Neuroprotektion
AngiogeneseBDNF-Steigerung
Entzündung↓Immunmodulation
StammzellenNeurogenese

Schlussfolgerung

Dieses Review etabliert Lithium als multifunktionale Substanz mit antiviralen, immunmodulatorischen und neuroprotektiven Eigenschaften. Diese pleiotropen Effekte machen Lithium zu einem interessanten Kandidaten für die Behandlung von Long COVID und neurodegenerativen Erkrankungen - Indikationen, die über die klassische psychiatrische Anwendung hinausgehen.

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