Lithium Neurologisch 2011

Niedrig-dosiertes Lithium bei leichter kognitiver Beeinträchtigung: Langzeitstudie zu Tau-Phosphorylierung

Originaltitel: Disease-modifying properties of long-term lithium treatment for amnestic mild cognitive impairment: randomised controlled trial

Autoren

Forlenza OV, Diniz BS, Radanovic M, et al.

Journal

British Journal of Psychiatry

DOI

10.1192/bjp.bp.110.080044

Zusammenfassung

Randomisierte kontrollierte Studie zeigt, dass niedrig-dosiertes Lithium bei Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung die Tau-Phosphorylierung im Liquor reduziert und die kognitive Funktion stabilisiert.


Lithium bei leichter kognitiver Beeinträchtigung (MCI)

Diese wegweisende randomisierte kontrollierte Studie untersuchte erstmals die Wirkung von niedrig-dosiertem Lithium bei Patienten mit amnestischer leichter kognitiver Beeinträchtigung (aMCI) - einer Vorstufe der Alzheimer-Demenz.

Hintergrund

Die leichte kognitive Beeinträchtigung (Mild Cognitive Impairment, MCI) ist ein Zwischenstadium zwischen normalem Altern und Demenz. Patienten mit der amnestischen Form (aMCI) haben ein erhöhtes Risiko, eine Alzheimer-Demenz zu entwickeln. Lithium ist bekannt für seine neuroprotektiven Eigenschaften, insbesondere die Hemmung der Glykogen-Synthase-Kinase-3 (GSK-3), die eine Schlüsselrolle bei der Tau-Phosphorylierung spielt.

Studiendesign

Methodik: Randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie

Teilnehmer: 45 Patienten mit amnestischer MCI (Durchschnittsalter 70 Jahre)

Intervention:

  • Behandlungsgruppe: Lithiumcarbonat (Ziel-Serumspiegel: 0,25-0,5 mmol/L)
  • Kontrollgruppe: Placebo

Dauer: 12 Monate

Primärer Endpunkt: Veränderung der kognitiven Funktion und Biomarker im Liquor

Was wurde untersucht

Die Forscher untersuchten:

  • Kognitive Funktion mittels standardisierter Tests (ADAS-Cog, MMSE)
  • Biomarker im Liquor (Cerebrospinalflüssigkeit):
    • Phosphoryliertes Tau (p-Tau) - ein Marker für Neurodegeneration
    • Amyloid-Beta (Aβ42) - ein Marker für Alzheimer-Pathologie
  • Sicherheit und Verträglichkeit der niedrigen Lithium-Dosis

Ergebnisse

Kognitive Funktion

  • Stabilisierung der kognitiven Leistung in der Lithium-Gruppe
  • Die Kontrollgruppe zeigte den erwarteten kognitiven Abbau
  • Signifikanter Gruppenunterschied zugunsten von Lithium

Biomarker

  • Signifikante Reduktion von p-Tau im Liquor der Lithium-Gruppe
  • P-Tau gilt als wichtiger Marker für die Alzheimer-Pathologie
  • Die Reduktion korrelierte mit der kognitiven Stabilisierung

Verträglichkeit

  • Exzellentes Sicherheitsprofil bei niedrigen Serumspiegeln
  • Keine schwerwiegenden Nebenwirkungen
  • Die niedrige Dosis wurde gut vertragen

Kernaussage

Diese Studie zeigt erstmals in einem randomisierten kontrollierten Design, dass niedrig-dosiertes Lithium bei Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung die Konzentration von phosphoryliertem Tau im Liquor reduziert und den kognitiven Abbau verlangsamen kann. Die Ergebnisse deuten auf ein neuroprotektives Potenzial von Lithium hin.

Bedeutung für Patienten

Was bedeutet das für Betroffene?

  1. Niedrige Dosis: Die verwendeten Lithium-Spiegel (0,25-0,5 mmol/L) sind deutlich niedriger als bei der psychiatrischen Anwendung (0,6-1,2 mmol/L)
  2. Gute Verträglichkeit: Die niedrige Dosierung war gut verträglich mit wenigen Nebenwirkungen
  3. Biomarker-Effekt: Die Reduktion von p-Tau ist ein objektiver Marker für die Wirksamkeit
  4. Frühzeitige Intervention: Die Studie fokussiert auf MCI als Zeitfenster vor der manifesten Demenz

Langzeit-Follow-up

Eine Nachuntersuchung 13 Jahre später zeigte, dass die mit Lithium behandelten Patienten langfristig bessere kognitive Ergebnisse hatten als eine Vergleichsgruppe ohne Behandlung - ein Hinweis auf anhaltende neuroprotektive Effekte.

Wirkmechanismus

Lithium entfaltet seine neuroprotektive Wirkung über mehrere Mechanismen:

  • GSK-3-Hemmung: Reduziert die Tau-Phosphorylierung
  • Neurogenese: Fördert die Bildung neuer Nervenzellen
  • Autophagie: Unterstützt den Abbau fehlgefalteter Proteine
  • Mitochondrien: Verbessert die zelluläre Energieproduktion

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