HBOT Long-Covid 2023

Serotonin-Reduktion bei Post-akuten Folgen viraler Infektionen

Originaltitel: Serotonin reduction in post-acute sequelae of viral infection

Autoren

Wong AC, Devason AS, Umana IC, Cox TO, Dohnalová L, Litichevskiy L, Perla J, Lundgren P, Etwebi Z, Izzo LT, Kim J, Tetlak M, Descamps HC, Park SL, Wisser S, McKnight AD, Pardy RD, Kim J, Blank N, Patel S, Thum K, Mason S, Beltra JC, Michieletto MF, Ngiow SF, Miller BM, Liou MJ, Madhu B, Dmitrieva-Posocco O, Huber AS, Hewins P, Petucci C, Chu CP, Baraniecki-Zwil G, Giron LB, Baxter AE, Greenplate AR, Kearns C, Montone K, Litzky LA, Feldman M, Henao-Mejia J, Striepen B, Ramage H, Jurado KA, Wellen KE, O'Doherty U, Abdel-Mohsen M, Landay AL, Keshavarzian A, Henrich T, Deeks S, Peluso M, Meyer N, Wherry EJ, Abramoff B, Cherry S, Thaiss C, Levy M

Journal

Cell

DOI

10.1016/j.cell.2023.09.013

Zusammenfassung

Landmark-Studie in Cell: Long COVID ist mit systemischem Serotoninmangel verbunden. Drei Mechanismen: 1) Reduzierte Tryptophan-Aufnahme im Darm, 2) Thrombozyten-Hyperaktivierung beeinträchtigt Serotonin-Speicherung, 3) Erhöhter Serotonin-Abbau. Serotoninmangel führt über den Vagusnerv zu Hippocampus-Dysfunktion und Gedächtnisstörungen.


Übersicht

Diese bahnbrechende Studie in Cell - einem der renommiertesten wissenschaftlichen Journale - identifiziert Serotoninmangel als zentralen Mechanismus bei Long COVID und verbindet damit mehrere bisher separate Hypothesen.

Die vereinheitlichende Theorie

Die Forscher zeigen, dass Serotoninreduktion vier bisher getrennte Long-COVID-Hypothesen in einem Pathway verbindet:

  1. Viruspersistenz → Anhaltende Typ-I-Interferon-Antwort
  2. Chronische Entzündung → Gestörter Tryptophan-Stoffwechsel
  3. Hyperkoagulabilität → Beeinträchtigte Serotonin-Speicherung
  4. Autonome Dysfunktion → Reduzierte Vagusnerv-Aktivität

Die drei Mechanismen der Serotonin-Reduktion

1. Verminderte Tryptophan-Aufnahme

  • Virale Infektion und Entzündung beeinträchtigen die intestinale Aufnahme von Tryptophan
  • Tryptophan ist die essentielle Vorstufe für Serotonin
  • Ohne ausreichend Tryptophan kann der Körper nicht genug Serotonin produzieren

2. Thrombozyten-Hyperaktivierung

  • COVID-19 führt zu verstärkter Plättchenaktivierung und teilweise Thrombozytopenie
  • Thrombozyten sind der Hauptspeicherort für peripheres Serotonin
  • Gestörte Plättchenfunktion beeinträchtigt die Serotonin-Speicherung

3. Erhöhter MAO-vermittelter Abbau

  • Monoaminoxidase (MAO) baut Serotonin ab
  • Bei Long COVID ist dieser Abbau verstärkt
  • Schnellerer Turnover führt zu niedrigeren Serotoninspiegeln

Folgen des Serotoninmangels

Vagusnerv-Dysfunktion

Peripherer Serotoninmangel führt zu:

  • Reduzierter Vagusnerv-Aktivität
  • Hippocampus-Dysfunktion (wichtig für Gedächtnis)
  • Kognitiven Beeinträchtigungen (“Brain Fog”)

Weitere Symptome

Serotonin ist an vielen Körperfunktionen beteiligt:

  • Stimmungsregulation (→ Depression, Angst)
  • Schlaf-Wach-Rhythmus (→ Schlafstörungen)
  • Darmmotilität (→ GI-Beschwerden)
  • Schmerzwahrnehmung (→ erhöhte Schmerzempfindlichkeit)

Therapeutische Implikationen

Im Mausmodell bestätigt

Die Forscher konnten zeigen:

  • 5-HTP-Supplementierung (Serotonin-Vorstufe, die die Tryptophan-Barriere umgeht) stellte Serotoninspiegel wieder her
  • SSRI (Fluoxetin) verbesserte die Objekterkennung
  • Glycin-Tryptophan-Supplementierung normalisierte kognitive Funktion

Mögliche Behandlungsansätze

  1. Tryptophan/5-HTP-Supplementierung (unter ärztlicher Aufsicht)
  2. SSRI-Therapie bei entsprechender Indikation
  3. Behandlung der Darmentzündung zur Verbesserung der Tryptophan-Aufnahme
  4. Vagusnerv-Stimulation

Limitationen

  • Viele Erkenntnisse aus Tiermodellen
  • Klinische Studien zur Validierung erforderlich
  • Individuelle Variabilität zu berücksichtigen

Relevanz für die Praxis

Diese Studie eröffnet neue therapeutische Perspektiven für Long-COVID-Patienten mit kognitiven Beschwerden und erklärt, warum manche Patienten von SSRI profitieren.

Bedeutung

Die Publikation in Cell unterstreicht die wissenschaftliche Bedeutung dieser Entdeckung und bietet erstmals einen mechanistischen Rahmen, der die vielfältigen Long-COVID-Symptome erklären kann.

Originalstudie lesen

Lesen Sie die vollständige wissenschaftliche Arbeit im Original auf der Journal-Website.

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