Post-Vac-Syndrom: Was wir wissen
Was ist das Post-Vac-Syndrom? Ein Überblick über Symptome, Gemeinsamkeiten mit Post-Covid und den aktuellen Forschungsstand.
Neben Post-Covid berichten manche Menschen von anhaltenden Beschwerden nach einer COVID-19-Impfung. Dieses Phänomen wird als Post-Vac-Syndrom bezeichnet. Was wissen wir darüber?
Was ist das Post-Vac-Syndrom?
Post-Vac (von lateinisch “post vaccinationem” = nach der Impfung) beschreibt anhaltende gesundheitliche Beschwerden, die in zeitlichem Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfung auftreten und über Wochen bis Monate bestehen bleiben.
Zur Häufigkeit
Laut RKI und Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gilt das Post-Vac-Syndrom als selten. Allerdings gibt es erhebliche Erfassungsprobleme:
- Das deutsche Spontanmeldesystem eignet sich nur eingeschränkt für aussagekräftige Analysen
- Das PEI räumt ein, dass “die Anzahl der geimpften Personen je Region nicht bekannt ist”
- Experten schätzen allein für Deutschland mindestens 10.000 Betroffene – die Marburger Post-Vac-Ambulanz hatte 2023 über 7.000 Patienten auf der Warteliste
- Europaweit verzeichnete die EMA-Datenbank bis Mai 2024 über 424.000 Fälle von Fatigue nach Impfung, bei 68% ohne vollständige Genesung
- Die Symptomabgrenzung zu anderen Erkrankungen wie Long-COVID ist schwierig, da sich die Beschwerdebilder stark überschneiden
Die tatsächliche Häufigkeit bleibt aufgrund dieser Erfassungsprobleme, Unterschiede in den Meldesystemen und der schwierigen Abgrenzung zu ähnlichen Erkrankungen unklar. Eine Dunkelziffer ist wahrscheinlich.
Quelle: Bayerisches Ärzteblatt – Post-Vac-Syndrom
Wichtige Einordnung
- Ein zeitlicher Zusammenhang bedeutet nicht automatisch einen ursächlichen Zusammenhang
- Die wissenschaftliche Forschung zu diesem Thema entwickelt sich noch
- Betroffene verdienen ernst genommen zu werden
Ähnlichkeiten mit Post-Covid
Die beschriebenen Symptome bei Post-Vac ähneln oft denen von Post-Covid:
Häufig berichtete Beschwerden
Erschöpfung (Fatigue)
- Anhaltende, unverhältnismäßige Müdigkeit
- Verschlechterung nach Anstrengung (Post-Exertional Malaise)
- Nicht durch Ruhe zu beheben
Neurologische Symptome
- Konzentrationsprobleme (“Brain Fog”)
- Kopfschmerzen
- Schwindel
- Kribbeln oder Taubheitsgefühle
Autonome Dysfunktion
- Herzrasen, besonders beim Aufstehen (POTS-ähnliche Symptome)
- Blutdruckschwankungen
- Temperaturregulationsstörungen
Weitere Beschwerden
- Muskel- und Gelenkschmerzen
- Schlafstörungen
- Atemnot
- Brustschmerzen
Mögliche Mechanismen
Die Forschung zu den Ursachen steht noch am Anfang. Diskutiert werden verschiedene Hypothesen:
Immunologische Reaktionen
- Überschießende Immunantwort
- Autoimmunphänomene
- Anhaltende Entzündungsprozesse
Spike-Protein-Hypothese
- Das Spike-Protein (sowohl bei Infektion als auch bei mRNA-Impfung produziert) könnte eine Rolle spielen
- Diese Hypothese wird wissenschaftlich untersucht
Prädisposition
- Möglicherweise gibt es individuelle Faktoren, die das Risiko erhöhen
- Genetische oder immunologische Voraussetzungen
Forschungsstand
Was die Wissenschaft sagt
Die Datenlage zu Post-Vac ist noch begrenzt. Im Vergleich zu Post-Covid gibt es:
- Weniger Studien
- Kleinere Fallzahlen
- Noch keine einheitlichen Diagnosekriterien
Übertragbarkeit von Post-Covid-Forschung
Da die Symptome ähnlich sind, wird diskutiert, ob Erkenntnisse aus der Post-Covid-Forschung übertragbar sein könnten. Zu Post-Covid existieren bereits:
- Randomisierte kontrollierte Studien
- Langzeit-Follow-up-Daten
- Untersuchungen verschiedener Therapieansätze
In unserer Studiendatenbank finden Sie aktuelle Forschungsergebnisse zu Post-Covid, die möglicherweise auch für Post-Vac-Betroffene relevant sein könnten.
Herausforderungen für Betroffene
Anerkennung
- Das Thema ist gesellschaftlich sensibel
- Betroffene fühlen sich manchmal nicht ernst genommen
- Die Diskussion ist oft polarisiert
Diagnose
- Keine etablierten Diagnosekriterien
- Ausschlussdiagnose (andere Ursachen müssen ausgeschlossen werden)
- Wenige spezialisierte Anlaufstellen
Behandlung
- Keine spezifischen Leitlinien
- Symptomatische Therapie
- Individuelle Behandlungsansätze
Der Weg zur Diagnose
Wichtige Schritte
- Symptome dokumentieren: Wann traten sie auf? Wie entwickeln sie sich?
- Hausarzt aufsuchen: Erste Anlaufstelle für Abklärung
- Andere Ursachen ausschließen: Gründliche Diagnostik ist wichtig
- Spezialisten konsultieren: Je nach Symptomatik (Neurologie, Kardiologie, etc.)
Was Ärzte abklären sollten
- Blutuntersuchungen
- Herz-Kreislauf-Diagnostik
- Neurologische Untersuchung
- Ggf. weitere Fachuntersuchungen
Leben mit Post-Vac
Selbstmanagement
Die Strategien ähneln denen bei anderen chronischen Erschöpfungssyndromen:
Pacing
- Energie einteilen
- Überlastung vermeiden
- Auf Körpersignale achten
Mehr dazu in unserem Artikel Selbstfürsorge bei chronischen Erkrankungen.
Symptomtagebuch
- Muster erkennen
- Trigger identifizieren
- Verlauf dokumentieren
Unterstützung suchen
- Austausch mit anderen Betroffenen
- Nicht Genesen – Selbsthilfe für Post-Covid und Post-Vac in Mecklenburg-Vorpommern
- Psychologische Begleitung bei Bedarf
- Sozialrechtliche Beratung
Sachliche Einordnung
Was wir wissen
- Einige Menschen berichten von anhaltenden Beschwerden nach der COVID-19-Impfung
- Die Symptome können denen von Post-Covid ähneln
- Die Forschung zu Ursachen und Behandlung läuft
Was wir nicht wissen
- Wie häufig Post-Vac genau vorkommt
- Die genauen Mechanismen
- Welche Behandlungen am besten helfen
Was wichtig ist
- Betroffene ernst nehmen
- Seriöse Forschung fördern
- Sachlich bleiben – weder verharmlosen noch dramatisieren
Unsere Position: Betroffene verdienen Gehör
Wir vertreten die Sichtweise, dass Post-Vac existiert und viele Menschen davon betroffen sind.
Wenn die Politik Bewegungen wie Nicht Genesen endlich zuhören und das Thema ernst nehmen würde, wäre dies ein erster vernünftiger Schritt. Es ist fatal, die Probleme der Betroffenen zu ignorieren.
Das aktuelle Problem
Der Fokus politischer Initiativen liegt häufig ausschließlich auf Long-COVID. Andere postvirale Erkrankte und Impfgeschädigte mit teilweise identischen Symptomen bleiben weitgehend ausgeschlossen. Kritiker warnen vor einer Zweiklassenmedizin.
Konkret bedeutet das:
- Off-Label-Behandlungen sollen Long-COVID-Betroffenen ermöglicht werden – Post-Vac-Patienten fallen explizit nicht darunter, obwohl sie vergleichbare Beschwerden haben
- Patientenverbände und Experten wie Prof. Carmen Scheibenbogen fordern, dass Behandlungen unabhängig vom Auslöser der Symptome möglich sein sollten
- Viele Betroffene werden zum “Spielball der Zuständigkeiten”
Finanzielle Hürden
Der aktuelle Einsatz von Off-Label-Medikamenten bevorzugt Patient:innen mit besseren finanziellen Ressourcen, da Krankenkassen diese Therapien oft nicht übernehmen. Für viele sind die hohen Kosten eine unüberwindbare Hürde.
Vernachlässigte Gruppen
Besonders Kinder und Jugendliche sowie Krankheitsbilder wie ME/CFS und POTS werden in den politischen Diskussionen oft ausgeklammert.
Quellen:
Anlaufstellen
Medizinische Versorgung
- Hausarzt als erste Anlaufstelle
- Post-Covid-Ambulanzen (nehmen teilweise auch Post-Vac-Patienten)
- Fachärzte je nach Symptomatik
Selbsthilfe
- Nicht Genesen – regionale Selbsthilfe in MV
- Bundesweite Selbsthilfegruppen
- Online-Austausch
Information
- Paul-Ehrlich-Institut (Meldung von Nebenwirkungen)
- Robert Koch-Institut
- Wissenschaftliche Publikationen
Beratung im Sauerstoffzentrum
Wir nehmen die Beschwerden unserer Patienten ernst – unabhängig davon, ob sie nach einer Infektion oder einer Impfung auftreten. In einem persönlichen Gespräch besprechen wir Ihre Situation und mögliche Therapieoptionen.