Selbstfürsorge bei chronischen Erkrankungen
Praktische Tipps für den Alltag mit chronischen Beschwerden: Pacing, Schlaf, Ernährung und der Umgang mit Belastungen.
Leben mit einer chronischen Erkrankung bedeutet tägliche Herausforderungen. Selbstfürsorge – also gut für sich selbst zu sorgen – ist dabei keine Verwöhnung, sondern eine Notwendigkeit. Hier finden Sie praktische Strategien für den Alltag.
Was ist Selbstfürsorge?
Selbstfürsorge bedeutet, bewusst auf die eigenen Bedürfnisse zu achten und Maßnahmen zu ergreifen, die das Wohlbefinden fördern. Bei chronischen Erkrankungen geht es nicht um Luxus, sondern darum:
- Symptome nicht zu verschlimmern
- Energie sinnvoll einzuteilen
- Lebensqualität zu erhalten
- Rückfälle oder Verschlechterungen zu vermeiden
Pacing: Energie einteilen
Pacing ist eine der wichtigsten Strategien bei chronischer Erschöpfung und vielen anderen Erkrankungen.
Was ist Pacing?
Pacing bedeutet, die verfügbare Energie bewusst einzuteilen und Überanstrengung zu vermeiden – auch wenn man sich gerade gut fühlt.
Die Grundprinzipien
1. Aktivitäten planen
- Nicht alles auf einen Tag legen
- Anstrengendes und Leichtes abwechseln
- Wichtiges priorisieren
2. Pausen einbauen
- Regelmäßige Pausen – bevor die Erschöpfung kommt
- Kurze Pausen sind besser als keine
- Ruhe als Teil des Plans, nicht als Notlösung
3. Grenzen respektieren
- Die eigene Belastungsgrenze kennen
- “Gute Tage” nicht übermäßig nutzen
- Warnsignale des Körpers ernst nehmen
4. Flexibel bleiben
- Pläne anpassen, wenn nötig
- Kein schlechtes Gewissen bei Planänderungen
- Akzeptieren, dass nicht jeder Tag gleich ist
Die Löffel-Theorie
Eine hilfreiche Metapher aus der Selbsthilfe-Community: Stellen Sie sich vor, Sie haben jeden Tag eine begrenzte Anzahl “Löffel” (Energie). Jede Aktivität kostet Löffel:
- Duschen: 1 Löffel
- Einkaufen: 3 Löffel
- Arztbesuch: 4 Löffel
- Familienfeier: 5 Löffel
Sind die Löffel aufgebraucht, ist nichts mehr übrig – manchmal sogar weniger als am nächsten Tag.
Schlaf und Erholung
Schlaf ist essenziell, aber bei vielen chronischen Erkrankungen gestört.
Schlafhygiene
- Regelmäßige Zeiten: Möglichst zur gleichen Zeit ins Bett und aufstehen
- Schlafumgebung: Dunkel, kühl, ruhig
- Elektronik meiden: Bildschirme mindestens 1 Stunde vor dem Schlafen ausschalten
- Koffein begrenzen: Kein Koffein nach 14 Uhr
- Rituale entwickeln: Abendliche Routine signalisiert dem Körper: Schlafenszeit
Wenn der Schlaf nicht erholsam ist
Bei vielen chronischen Erkrankungen ist der Schlaf trotz ausreichender Dauer nicht erholsam. Das ist frustrierend, aber nicht ungewöhnlich. Wichtig:
- Keine Panik vor dem Schlafengehen
- Ruhezeiten auch tagsüber einplanen
- Bei anhaltenden Problemen ärztliche Abklärung
Ernährung
Es gibt keine “Wunderdiät” für chronische Erkrankungen. Aber eine ausgewogene Ernährung unterstützt den Körper.
Grundlegende Empfehlungen
- Regelmäßige Mahlzeiten: Blutzucker stabil halten
- Ausreichend trinken: 1,5-2 Liter Wasser täglich
- Vielfalt: Verschiedene Gemüse- und Obstsorten
- Verarbeitetes reduzieren: Weniger Fertigprodukte, mehr Frisches
- Auf den Körper hören: Was bekommt Ihnen gut, was nicht?
Praktische Tipps
- Vorkochen: An guten Tagen für schlechtere vorbereiten
- Einfache Rezepte: Nicht jede Mahlzeit muss aufwendig sein
- Tiefkühlgemüse: Gute Alternative, wenn frisches Kochen zu anstrengend ist
- Um Hilfe bitten: Mahlzeiten von anderen mitbringen lassen
Bewegung anpassen
Bewegung ist grundsätzlich gut, muss aber an die Erkrankung angepasst werden.
Wichtig bei Fatigue-Erkrankungen
Bei ME/CFS und manchen Post-COVID-Verläufen kann Sport die Symptome verschlimmern (Post-Exertional Malaise). Hier gilt:
- Keine “Steigerung um jeden Preis”
- Auf Warnsignale achten
- Im Zweifelsfall lieber weniger
- Mit Ärzten abstimmen
Sanfte Bewegungsformen
Wenn Bewegung möglich ist:
- Kurze Spaziergänge
- Sanftes Dehnen
- Leichtes Yoga (angepasst)
- Bewegung im Wasser
- Atemübungen
Stress reduzieren
Chronischer Stress kann Symptome verstärken. Strategien zur Stressbewältigung:
Entspannungstechniken
- Progressive Muskelentspannung: Muskelgruppen anspannen und lösen
- Atemübungen: Langsames, tiefes Atmen
- Meditation: Auch kurze Einheiten können helfen
- Körperwahrnehmung: Dem Körper bewusst zuhören
Alltagsstress begrenzen
- Nein sagen lernen: Nicht jede Anfrage annehmen
- Prioritäten setzen: Was ist wirklich wichtig?
- Puffer einplanen: Nicht jeden Tag vollpacken
- Erwartungen anpassen: Perfektionismus loslassen
Soziale Kontakte
Chronische Erkrankungen können isolieren. Soziale Kontakte bleiben wichtig:
Tipps für den Kontakt
- Ehrlich kommunizieren: Nahestehenden erklären, wie es Ihnen geht
- Angepasste Treffen: Kürzere Besuche, ruhigere Aktivitäten
- Pausen einplanen: Auch bei Gesellschaft Rückzugsmöglichkeiten
- Virtuelle Kontakte: Telefonieren oder Videocalls, wenn Besuche zu anstrengend sind
Selbsthilfegruppen
Der Austausch mit anderen Betroffenen kann entlastend sein:
- Verständnis ohne lange Erklärungen
- Praktische Tipps von Menschen in ähnlicher Situation
- Gefühl, nicht allein zu sein
Professionelle Unterstützung
Selbstfürsorge bedeutet auch, sich Hilfe zu holen:
Wann professionelle Hilfe sinnvoll ist
- Anhaltende Niedergeschlagenheit
- Gefühl der Überforderung
- Probleme in Beziehungen durch die Erkrankung
- Schwierigkeiten, mit der Diagnose umzugehen
Mögliche Anlaufstellen
- Psychotherapeuten
- Psychologische Berater
- Sozialarbeiter
- Rehabilitationseinrichtungen
Kleine Freuden im Alltag
Trotz Einschränkungen kann es gelingen, Positives im Alltag zu finden:
- Ein gutes Buch oder Hörbuch
- Musik hören
- Natur beobachten (auch vom Fenster aus)
- Kontakt mit Freunden
- Kreative Tätigkeiten in kleinen Dosen
- Haustiere
- Dinge, die früher Freude gemacht haben – angepasst an die aktuelle Situation
Selbstmitgefühl
Seien Sie nachsichtig mit sich selbst:
- Schlechte Tage sind normal: Kein Versagen
- Vergleiche vermeiden: Weder mit anderen noch mit dem früheren Selbst
- Kleine Erfolge anerkennen: Jeder bewältigte Tag zählt
- Keine Schuld: Sie sind nicht verantwortlich für Ihre Erkrankung
Fazit
Selbstfürsorge bei chronischen Erkrankungen ist ein fortlaufender Lernprozess. Was für eine Person funktioniert, muss für eine andere nicht passen. Experimentieren Sie, was Ihnen guttut – und lassen Sie los, was nicht hilft.
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